Nationale Konferenz:
„Patienten als Partner
in der Krebsforschung“

DKFZ Hauptgebäude in Heidelberg - Bild: DKFZ/Tobias Schwerdtt

Krebspatient:innen können mit ihren Erfahrungen wertvolle Beiträge für die Krebsforschung leisten. Und das weit über die Teilnahme an medizinischen Studien hinaus. Um dieses Thema drehte sich im September 2023 die 2. Nationale Konferenz „Patienten als Partner in der Krebsforschung“ in Heidelberg. Organisiert wurde sie vom neuen erweiterten Nationalen Zentrum für Tumorerkrankungen (NCT) und vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Kooperation mit der Nationalen Dekade gegen Krebs (NDK) und dem Haus der Krebs-Selbsthilfe-Bundesverband.

 

Patient:innenbeteiligung in der Krebsforschung: Was heißt das eigentlich?

Die Patient:innenbeteiligung in der Forschung stecke in Deutschland noch in den Kinderschuhen, so lautet das Urteil namhafter Expert:innen. Die Krebsforschung ist dabei keine Ausnahme. Doch seit einigen Jahren setzen Politik und Forschende vermehrt darauf, Patient:innen stärker in die Erforschung von Krankheiten und die Entwicklung von Therapien mit einzubeziehen.

Bis vor wenigen Jahren beschränkte sich das Thema Patient:innenbeteiligung in Deutschland auf die Teilnahme von Betroffenen an klinischen Studien. Hinzu kam die Freigabe der Daten, die in diesem Zusammenhang erhoben wurden und für Forschungszwecke genutzt werden konnten.
Heute hingegen geht es auch darum, dass Betroffene in alle Phasen der Forschung – das bedeutet von der Formulierung der Fragestellung bis zur Verwertung der Ergebnisse –mit eingebunden werden. Ihre Wünsche, Erfahrungen und Meinungen sollen von den medizinischen Expert:innen gehört und berücksichtigt werden.

 

Warum ist Patient:innenbeteiligung wichtig?

„Das Einbringen der Patientenexpertise aus dem täglichen „Leben mit der Erkrankung“ ist eine wertvolle Ressource für die Krebsforschung“, schreiben die Organisator:innen der Konferenz.

Das ist besonders wichtig vor dem Hintergrund vieler Herausforderungen und der beiden immer stärker aufkommenden Themen „Präzisionsonkologie“ (Personalisierte Medizin) und Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital Health).

Ziel der Patient:innenbeteiligung ist letztlich eine bessere, zielgerichtete und Patient:innen-orientiertere Forschung, Im Einzelnen geht es dabei um:

  • die Optimierungen bei Prävention, Früherkennung, Diagnostik, Behandlung, Nachsorge und Survivorship (der englische Begriff Suvivorship bezeichnet die Beratung im Hinblick auf die Gesundheit, die körperlichen, seelischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme, die nach Abschluss einer ersten Krebstherapie auftreten können).
  • ein besseres Patient:innen-Erleben in der Versorgung
  • in Zukunft bessere, Patient:innen-freundliche digitale Angebote sowie
  • eine höhere Patient:innen-/Gesundheitskompetenz.

Das Fazit der Organisator:innen: „Patient:innen-orientiertere Forschung führt zu besseren Ergebnissen“.

 

Was waren die Schwerpunkte der 2. Nationalen Konferenz?

Die Konferenz „Patienten als Partner der Krebsforschung“ soll dazu beitragen, die Integration der Patient:innenperspektive in die Krebsforschung weiter voranzutreiben. Die Veranstaltung richtete sich an Vertreter:innen aus Selbsthilfegruppen und Patient:innenvertretungen.
Angestrebt ist ein Kulturwandel: „Patienten als Forschungspartner“ als Teil der NCT Netzwerk-Kultur und damit als Synonym für eine neue Krebs-Forschungskultur in Deutschland.

Geboten wurde ein zweitägiges Programm mit Vorträgen und Workshops am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg. Dabei fand unter anderem eine Gesprächsrunde mit Vertreter:innen aus der Onkologie und einer Patientin statt zum Thema „Die gegenwärtigen Herausforderungen/Hürden in Deutschland für klinische Studien“.

Vorträge wurden unter anderem zu den Themen „Besonderheiten der Planung und Durchführung von nicht medikamentösen klinischen Studien“ und „Klinische Studien & Präzisionsonkologie im Kindes- und Jugendalter“ gehalten.

Teilnehmer:innen der Workshops beschäftigten sich unter anderem mit den Themen „Wie finden Patient:innen Zugang zu klinischen Studien, wie Studien zu Patient:innen?“ und „Präzisionsonkologie/ personalisierte Medizin: Chancen, Risiken, Herausforderungen und Bedürfnisse aus Patientensicht“.

Darüber hinaus standen die Vernetzung und der Austausch der Teilnehmer:innen miteinander und mit Selbsthilfegruppen und Verbänden im Vordergrund.

 

Welche Gremien kümmern sich um das Thema Patient:innenbeteiligung in der Krebsforschung?

Das DKFZ hat als erste Forschungseinrichtung in Deutschland 2018 den Patientenbeirat Krebsforschung gegründet. Dieser soll die Patient:innenperspektive in die Forschungsstrategie des DKFZ einbringen.

Zurzeit setzt sich der Beirat aus zwölf Mitgliedern zusammen, die selbst Betroffene oder Eltern von Betroffenen verschiedener Krebserkrankungen sind.

Der Patientenbeirat Krebsforschung des DKFZ unterstützt den Stiftungsvorstand und die Wissenschaftler:innen des DKFZ dabei, mit seinen Erfahrungen die Erwartungen der Patient:innen besser und umfassender zu verstehen. So sollen die Forschenden besser auf unvorhergesehene Risiken, Hindernisse und Folgen bei der Umsetzung von Forschungsvorhaben aufmerksam gemacht werden.

Die Partnerschaft zwischen Forschenden und Patient:innen ist auch beim Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen festgeschrieben. Das NCT hat mittlerweile sechs Standorte, sogenannte NCTs: Heidelberg, Dresden, Berlin, SüdWest (Tübingen/Stuttgart-Ulm), WERA (Würzburg mit den Partnern Erlangen, Regensburg und Augsburg) und West (Essen/Köln).

Was ist die Nationale Dekade gegen Krebs?

Auf Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) haben 2019 die relevanten Akteure der Krebsbekämpfung in Deutschland die Initiative Nationale Dekade gegen Krebs ins Leben gerufen (darunter auch die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, die DGHO).

Disziplinübergreifend arbeiten sie an dem gemeinsamen Ziel, Krebs die Stirn zu bieten – und zwar langfristig. Der Grundsatz, der allen Fragen zugrunde liegt, heißt: die Forschung konsequent auf die Bedürfnisse der Patient:innen auszurichten.

Der Strategiekreis der Dekade hat drei Arbeitsgruppen etabliert, die gemeinsam mit weiteren Expert:innen in Workshops weitere Maßnahmen und Programme erarbeiten und weiterentwickeln.

Findet Patient:innenbeteiligung auch bei der Erforschung der CLL statt?

Auch bei der Erforschung der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) haben Patient:innen ganz klassisch die Möglichkeit, an klinischen Studien teilzunehmen und die dabei gewonnenen Daten nicht nur für die eigene Behandlung, sondern auch für forschende Mediziner:innen freizugeben. Somit können auch andere Patient:innen von den Erkenntnissen profitieren.

Darüber hinaus konnten Patient:innen bereits an der S3-Leitlinie zur CLL mitwirken. An der Erstellung der aktuellen Leitlinie waren drei Vertreter:innen der Selbsthilfeorganisation Deutsche Leukämie- und Lymphom-Hilfe (DLH) aktiv beteiligt, um die Perspektive der Patient:innen mit einzubringen.

Die Vertreter:innen der DLH hatten zudem ein Stimmrecht bei den sogenannten Konsensuskonferenzen. Bei diesen wird darüber beraten, welche medizinischen Empfehlungen in die Leitlinie aufgenommen werden.

Aber auch in aktuellen vorsorgungswissenschaftlich relevanten Forschungsprojekten sind CLL-Patient:innen und Patient:innenorganisationen bereits aktiv beteiligt. Als Beispiel ist ein Projekt zur Entwicklung eines modularen sogenannten PROM Patienten-berichteten Outcome Measurements zu nennen, dass die Präferenzen und den Nutzen in der CLL Behandlung messen soll und damit die Perspektive der Patient:innen in der Versorgung stärkt. Erste veröffentlichte Ergebnisse aus diesem Kooperationsprojekt zwischen Kliniker:innen, Patient:innen, Wissenschaftler:innen und AstraZeneca finden Sie hier.

 

Was sagen Teilnehmer:innen der Konferenz?

Auf der Seite der Unternehmen, die diesen Kulturwandel im Rahmen der Konferenz sehr unterstützen, war erstmals auch AstraZeneca als Partner aus der Industrie eingeladen. Isabelle Schatz, Head of Patient Affairs bei AstraZeneca, bedankte sich bei den Organisator:innen und Referent:innen der Konferenz für viele spannende Gespräche und Impulse vor Ort: „Es war beeindruckend zu sehen, wie gut Patient:innenbeteiligung in der Forschung schon in einzelnen Leuchttürmen gelingt. Grundvoraussetzungen sind Mut und das Vertrauen aller beteiligten Akteure, sich auf den Prozess einzulassen.“

Sie fügt hinzu: „Die NCTs als Nukleus und Pulsgeber nehmen eine entscheidende Rolle dabei ein, die Patient:innenbeteiligung als Standard in der onkologischen Forschung voranzutreiben.“

 

Zusammenfassung

Die Rolle der Patient:innen in der Krebsforschung wird immer wichtiger. Auf diesem Gebiet findet geradezu ein Kulturwandel statt. Das hat nicht zuletzt auch den Grund, dass Forschung, bei der die Erfahrungen der Betroffenen analysiert und mit einbezogen werden, häufig zu besseren Ergebnissen führt.

Die zweite Nationale Konferenz „Patienten als Partner in der Krebsforschung“ leistete wichtige Beiträge dabei, den unterschiedlichen Akteur:innen nötiges Wissen und neue Impulse zu vermitteln und sie beim Vernetzen zu unterstützen.

Weitere Informationen

Wie kann ich mich selbst engagieren? Patient:innen können zum Beispiel bei PEAK mitmachen. PEAK ist die nationale „Patient:innen-Expert:innen-Akademie“ im Rahmen der Konzeptionsphase des künftigen NCT-Netzwerks.

Die Akademie wird seit dem Frühjahr 2021 von Patient:innen-Vertreter:innen, Mediziner:innen und anderen Fachleuten gemeinsam betrieben: Als Anbieter:in von qualifizierten Aus- und Weiterbildungsprogrammen für Patient:innen-Experten in der Onkologie. Sie bietet Kurse und Trainings, die Patient:innen-Vertreter darauf vorbereiten sollen, ihre gelebten Erfahrungen und ihre Expertise in das deutsche Gesundheitssystem einzubringen.