Therapietreue zählt: Adhärenz im Blickpunkt

Ärztin klärt Patientin auf

Im Zusammenhang mit der Behandlung von chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) – und diverser anderer Erkrankungen – betonen Mediziner:innen häufig die Bedeutung von Adhärenz. Grob gesagt handelt es sich dabei um die Therapietreue der Patient:innen. Bei dem Thema geht es jedoch um weit mehr als um die pünktliche Einnahme von verschriebenen Medikamenten.

 

Was versteht man unter Adhärenz?

Das Wort Adhärenz kommt vom lateinischen „adhaerere“, was „sich an etwas anschließen“ bedeutet. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet der Begriff das Ausmaß, zu dem das Verhalten einer Person mit den vereinbarten Empfehlungen eines medizinischen Behandlers oder einer Behandlerin übereinstimmt. Adhärenz bezieht sich dabei nicht nur auf die Medikamenteneinnahme, sondern auch auf möglicherweise empfohlene Lebensstiländerungen (zum Beispiel die Einhaltung einer individuell verordneten Diät).

 

Warum ist Adhärenz bei CLL-Therapien wichtig?

Eine CLL schreitet im Vergleich zu anderen malignen Erkrankungen häufig nur langsam voran. Es kann nach der Diagnose noch Jahre dauern, bis sich Symptome zeigen. Meist ist in dieser Zeit keine Behandlung nötig, sondern lediglich eine engmaschige Kontrolle der Erkrankung. Man spricht daher auch von der „Watch and Wait“-Zeit.

Wenn Ärztin oder Arzt entscheiden, dass eine Therapie notwendig ist, wird zwischen mehreren Behandlungsmöglichkeiten ausgewählt. Eine Option sind Dauertherapien, die jahrelang laufen können. Ziel der Therapien ist es, die Krankheit langfristig unter Kontrolle zu bringen.

CLL-Patient:innen können allerdings nur dann dauerhaft auf Therapien ansprechen, wenn die verschriebenen Medikamente während der gesamten Laufzeit der Therapie korrekt eingenommen werden.

Außerdem sollten Patient:innen keine Wirkstoffe einnehmen, die die Wirkung der jeweiligen CLL-Therapie negativ beeinflussen können. Zu diesem Punkt können Ärzt:innen und Apotheker:innen anhand einer Übersicht aller Medikamente Auskunft geben. Die Übersicht sollte neben den für die CLL-Therapie benötigten Medikamenten auch alle anderen Mittel enthalten, die eingenommen werden. Idealerweise führen Patient:innen, beziehungsweise Ihre Angehörigen einen regelmäßig aktualisierten Medikationsplan, der alle diese Informationen enthält.

Patient:innen wirken aktiv mit

Da Patient:innen bei langfristigen CLL-Therapien häufig weiter im eigenen Haushalt wohnen, sind sie und ihre Angehörigen in der Regel selbst für die korrekte Einnahme verantwortlich – und wirken damit selbst aktiv am gewünschten Erfolg der Therapien mit.

Wird eine dauerhaft angelegte Therapie durch CLL-Patient:innen unterbrochen oder ersatzlos abgebrochen, besteht das Risiko, dass der beschwerdefreie Zustand nicht mehr aufrecht erhalten werden kann und die Erkrankung unkontrolliert voranschreitet.

 

Welche Faktoren können die Therapietreue negativ beeinflussen?

In einer 2016 veröffentlichten Studie aus Frankreich haben Wissenschaftler:innen das Thema Therapietreue untersucht.1 Sie kamen zu dem Ergebnis, dass etwa jedes fünfte Medikament, das Ärzt:innen für wichtig hielten, von Patient:innen anders eingenommen wurde, als verschrieben. An der Studie nahmen 128 Patient:innen teil, denen insgesamt knapp 500 Medikamente verschrieben wurden.

Als Grund für die mangelnde Adhärenz nannten Patient:innen bei der Pariser Studie vor allem unerwünschte Nebenwirkungen oder den Wunsch, das jeweilige Mittel abzusetzen.

Wenn Therapiemüdigkeit aufkommt

Neben den in der Studie vorrangig genannten Gründen können auch noch andere Faktoren die Therapietreue negativ beeinflussen. Ein grundsätzliches Problem kann das Aufkommen von Therapiemüdigkeit sein. Diese kann zum Beispiel auch durch eine  Besserung der Symptome gefördert werden. Wenn es im Lauf der Behandlung zu weniger und leichteren Beschwerden kommt, kann bei Patient:innen der Eindruck entstehen, dass die Medikamente offenbar nicht mehr nötig seien und man sie auch absetzen könne.

Wenn Patient:innen, möglicherweise viele ähnlich aussehende Medikamente einnehmen, kann es zudem sein, dass Medikamente verwechselt werden. Speziell bei älteren Patient:innen kann es vorkommen, dass die Einnahme auch mal vergessen wird.

 

Therapietreue trotz Nebenwirkungen und Wechselwirkungen?

Wie bei jeder medikamentösen Therapie kann es auch bei der Behandlung der CLL zu einer Reihe von Nebenwirkungen kommen. Diese können – je nach gewählter Therapieoption – unterschiedlich ausfallen.

Auch das Auftreten von Wechselwirkungen bei einer CLL-Therapie ist möglich. Darunter versteht man unerwünschte Effekte, die durch die gleichzeitige Einnahme verschiedener Medikamente entstehen können. Bestimmte Medikamente und die Therapie der CLL können sich in ihren Wirkungen beispielsweise beeinflussen oder in der Kombination Beschwerden auslösen.

Wichtig für Patient:innen: Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sollten kein Grund sein, die Therapie ohne Rücksprache mit dem Behandlungsteam abzubrechen.

Betroffene sollten beim Aufkommen von Beschwerden, die auf Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen hindeuten, ihr Behandlungsteam ansprechen, beziehungsweise das Thema beim regelmäßigen Besuch in der ärztlichen Praxis zur Sprache bringen.

Gemeinsam mit Ihrem Ärzt/Ärztin/Behandlungsteam können Sie besprechen, ob die Therapie umgestellt, bzw. ob die Dosis angepasst werden sollte. Nicht immer ist dies nötig: Häufig verschwinden Nebenwirkungen und Wechselwirkungen nach einiger Zeit auch von selbst wieder.

 

Wie lässt sich die Adhärenz verbessern? 

Es gibt diverse Möglichkeiten, wie Sie die Therapietreue verbessern oder eine bereits gute Therapietreue dauerhaft sichern können.

Zum Beispiel

  • Die Medikamenteneinnahme sollte in den Tagesablauf integriert werden. Falls Sie die Medikamente abends einnehmen sollen, können Sie das zum Beispiel regelmäßig vor den 20 Uhr-Nachrichten tun.
  • Tabletten können gegebenenfalls jeweils für eine Woche in eine Tablettendose mit unterschiedlichen Fächern für die einzelnen Wochentage gelegt werden. So lässt sich am Ende jeden Tages sehen, ob eine Einnahme vergessen worden ist.
  • Auch die Einrichtung einer Erinnerungsfunktion, zum Beispiel per Wecker auf dem Handy, ist denkbar.
  • Hilfreich ist es, wenn Angehörige mit daran denken, wenn es wieder Zeit für die Einnahme der Medikamente ist.
  • Um die Einnahme von Medikamenten nachzuvollziehen, kann auch das Führen eines Patient:innentagebuchs sinnvoll sein, in dem der Zeitpunkt der Einnahme dokumentiert wird.
  • Es ist gut, wenn Patient:innen und gegebenenfalls Angehörige die Kontaktdaten der behandelnden Ärzt:innen schnell zur Hand haben. Diese können zum Beispiel wichtig werden, sollte es zu Neben- oder Wechselwirkungen kommen.

Wenn Angehörige merken, dass Patient:innen die Einnahme von Medikamenten einmal oder mehrfach vergessen, kann es hilfreich sein, zum einen das Behandlungsteam zu informieren und sich zum anderen nach den Gründen zu erkundigen und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen.

 

Zusammenfassung

Therapietreue ist bei den verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten der CLL enorm wichtig. Eine auf Dauer angelegte Therapie zu absolvieren, ohne dass Therapiemüdigkeit aufkommt, ist eine Herausforderung. Doch damit Patient:innen dauerhaft auf Therapien ansprechen,ist es wichtig, dass sie ihre Medikamente wie verschrieben einnehmen.

Bei der Therapie der CLL kann es zu unterschiedlich starken Nebenwirkungen und Wechselwirkungen kommen. Wenn Patient:innen die Therapie deswegen oder aus anderen Gründen abbrechen, besteht die Gefahr, dass die Erkrankung unkontrolliert fortschreitet. Falls bei Patient:innen der Wunsch nach einem Abbruch der Therapie aufkommt, sollte zuvor mit dem Behandlungsteam gesprochen werden.

Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, die Therapietreue auf einem guten Niveau zu halten und unter Umständen noch weiter zu verbessern. Angehörige können dabei mithelfen.

 

1 https://www.annfammed.org/content/14/5/415.abstract?sid=7385f6c6-1a2c-47c7-9bb7-c2efd888be52
und https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2016/10/14/mehr-adhaerenz-durch-bessere-kommunikation