Eine chronische lymphatische Leukämie (CLL) kann Patient:innen stark belasten. Doch die Erkrankung und ihre Folgen können auch für Sie als Angehörige:r psychisch und physisch strapazierend sein. Besonders, wenn Sie den oder die Patient:in im Alltag nach Kräften unterstützen und schützen wollen.
Für Familienmitglieder und Lebenspartner:innen kommt es in diesem Zusammenhang darauf an, nicht nur an die Betroffenen, sondern auch an sich selbst zu denken. Darum geht es in diesem Artikel.
Angehörige können auch belastet sein
Eine CLL kann Angehörige von Erkrankten auf vielen Ebenen belasten. Da ist speziell die Ungewissheit und Sorge, wie sich die Krebserkrankung der nahestehenden Person in Zukunft entwickeln wird. Möglicherweise kommt bei Angehörigen auch das Gefühl auf, bei allem guten Willen für den Erkrankten nicht genug tun zu können und bei einer möglichen Therapie „überflüssig“ zu sein.
Auf der Seite der Erkrankten können Stimmungsschwankungen auftreten. Zu manchen Zeiten können Betroffene deutlich empfindlicher auf Reize reagieren als zuvor oder sie kapseln sich zeitweise ab. Es kann für Sie als Angehörige:r schwierig sein, damit umzugehen.
Gerade wenn Freunde und Familie regelmäßig und nach besten Kräften Hilfe für Erkrankte leisten, kann genau das Probleme mit sich bringen. Das gilt besonders, wenn auch Aufgaben im Bereich der Pflege übernommen werden. So berichtet die Deutsche Krebsgesellschaft: „Viele Angehörige überfordern sich und verlieren das Gefühl für die eigenen Bedürfnisse“.
Herausforderung „Watch and Wait“
Eine CLL verläuft in den meisten Fällen nur sehr langsam. Es kann Monate oder sogar Jahre dauern, bis sich Symptome zeigen. Für die Betroffenen bedeutet das, dass in vielen Fällen keine Therapie nötig ist und die Entwicklung der Krankheit engmaschig beobachtet wird. Man nennt diese Zeit die „Watch and Wait“-Phase.
Gerade weil in dieser Zeit scheinbar nichts unternommen wird, um die Erkrankung aktiv zu bekämpfen, kann die „Watch and Wait‘“-Zeit eine emotionale Herausforderung für Betroffene und Angehörige sein.
In diesem Fall ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass das Behandlungsteam den Weg empfiehlt, der im Einzelfall am besten für Patient:innen ist. Die Notwendigkeit der „Watch and Wait“-Zeit ist wissenschaftlich begründet und bedeutet keineswegs, dass Patient:innen notwendige Behandlungen vorenthalten werden. Patient:innen und Angehörige tun gut daran, dem Rat des Behandlungsteams zu vertrauen.
Ein unterstützendes Umfeld schaffen
Die gute Nachricht ist, dass Sie als Angehörige:r eine ganze Menge für Familienmitglieder mit CLL tun können. Voraussetzung dabei ist, dass Sie sich aus zuverlässigen Quellen eingehend über die Krankheit und ihre Besonderheiten informiert haben.
Sie können grundlegend helfen, indem Sie ein unterstützendes Umfeld schaffen. Das erreichen Angehörige am besten, wenn sie Verständnis für die Situation der Betroffenen zeigen und signalisieren, dass sie gemeinsam Zeit mit den Menschen mit CLL verbringen möchten. Es kann von Erkrankten positiv aufgenommen werden, wenn Angehörige sich nach ihren Wünschen erkundigen. Bei ausweichenden oder wenig konkreten Antworten ist es jedoch ratsam, nicht weiter nachzubohren.
Zu einem positiven, unterstützenden Umfeld kann auch gehören, wenn man wiederholt konkrete Unterstützung bei anstehenden Aufgaben anbietet, zum Beispiel die Begleitung bei einem Arztbesuch. Das kann auch eine gute Gelegenheit für Angehörige sein, persönlich mit dem Behandlungsteam zu reden, falls der oder die Patient:in das möchten. Oder man entlastet Betroffene, indem seit Jahren in der Familie festgelegte Aufgaben im Konsens neu verteilt werden und der Erkrankte zum Beispiel weniger im Haushalt zu erledigen hat.
Viele Möglichkeiten der Unterstützung
Zu Hause könnten Sie Patient:innen dabei helfen, die Übersicht über die Medikation zu behalten. Zum Beispiel, indem sie ein liebevoll ein Auge darauf haben, dass Medikamente pünktlich eingenommen werden und der Medikationsplan aktuell ist. Eventuell könnten Sie auch anbieten, beim Führen eines Patient:innen-Tagebuchs zu assistieren, in dem mögliche Symptome verzeichnet werden. Aber alles natürlich nur, wenn Patient:innen dies auch wollen.
Die Kommunikation von Patient:innen mit der Kranken- und möglicherweise Pflegekasse erweist sich häufig als kompliziert, zum Beispiel wenn es um einen Pflegegrad oder die mögliche Befreiung von Zuzahlungen geht. Es kann sein, dass Betroffene in diesem Bereich gern Hilfe von Angehörigen annehmen.
Eine Krebserkrankung wirft möglicherweise auch grundlegende finanzielle Fragen zum Einkommen und zur Versorgung der einzelnen Familienmitglieder in den kommenden Jahren auf. Es kann sinnvoll sein, dies gemeinsam zu klären – dazu kann man sich bei Bedarf von Anwält:innen oder Mitarbeitenden von Beratungsstellen beraten lassen.
Wie ist das mit gut gemeinten Ratschlägen?
Mit Ratschlägen an CLL-Patient:innen ist das so eine Sache. Gut gemeinte Tipps kommen meist schnell über die Lippen. Entscheidend ist hier, das im Einzelfall richtige Maß zu finden und die Stimmung der Betroffenen richtig einzuschätzen, um nicht unbeabsichtigt bevormundend oder vorwurfsvoll zu wirken.
Für die Stimmung innerhalb von Familien und Partnerschaften ist es zudem erfahrungsgemäß besser, wenn man nicht jedes Wort, das Patient:innen im Krankheitsstress äußern, auf die Goldwaage legt.
Wenn es durch die Erkrankung zu Konflikten kommt, besteht die Möglichkeit, professionelle Hilfe zu nutzen. Mehr dazu weiter unten.
Wie lassen sich Betroffene vor Infektionen schützen?
Die Corona-Restriktionen sind weitgehend aufgehoben. Doch Menschen mit CLL brauchen weiter Schutz vor Infektionen. Denn sie gelten durch ihre Krebserkrankung als immunschwach. Und dabei geht es nicht nur um den Schutz vor Covid-19, sondern auch um das Verhalten, während sich Erkältungs- und Grippewellen ausbreiten. Tipps zum Schutz von Menschen mit Immunschwäche gibt die Seite mehr-schutz.de.
Angehörige dürfen und sollen auch an sich denken
Für Angehörige von Menschen mit CLL ist es bei allem Einsatz wichtig, das eigene emotionale und körperliche Wohlergehen nicht aus den Augen zu verlieren. Angehörige dürfen (und sollten) auch an sich denken. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, zum einen mit Stress umzugehen, zum anderen aber auch sich selbst etwas Gutes zu tun. Das Stichwort heißt Selbstfürsorge.
Im Internet und in gedruckten Ratgebern finden Sie sehr viele Tipps dazu. Das Angebot an speziellen Kursen, zum Beispiel an den Volkshochschulen, ist enorm. Es kann aber auch schon helfen, einfach bestimmte Zeiten nur für eigene Hobbys zu blocken. Es kommt letztlich darauf an, herauszufinden, was in Ihrem konkreten Fall am besten passt.
Warnsignale bei Überlastung
Manchmal ist es für Angehörige von Menschen mit CLL gar nicht so einfach zu erkennen, dass sie bei aller Hilfsbereitschaft unter der Situation leiden. Belastungen können sich psychisch, körperlich und im sozialen Umfeld äußern. Es gibt Warnsignale, auf die Angehörige frühzeitig achten sollten. Wenn sich erste Anzeichen einer Überlastung zeigen, kann es an der Zeit sein, sich professionelle Hilfe zu holen.
Warnsignale können zum Beispiel sein:
- das Gefühl einer emotionalen Achterbahnfahrt
- Reizbarkeit
- depressive Verstimmungen
- Schlafstörungen
- das Gefühl, von der Situation überfordert zu sein
An wen können Sie sich wenden?
Für Menschen mit CLL gibt es eine Reihe von Kontakt- und Anlaufstellen. Es ist wichtig zu wissen, dass diese Stellen auch für Angehörige von Krebspatient:innen offen stehen.
Krebsberatungsstellen
Krebsberatungsstellen unterstützen im Umgang mit der Krankheit und beraten zudem bei sozialrechtlichen Fragen, beispielsweise zur finanziellen Absicherung. Adressen lokaler Krebsberatungsstellen erfahren Sie auf der Internetseite des Krebsinformationsdienstes.
Selbsthilfegruppen
Mit den Erfahrungen, die die Krankheit und das Leben mit einem erkrankten Familienmitglied mit sich bringt, müssen Sie als Angehörige:r nicht allein fertig werden. In Selbsthilfegruppen finden sich möglicherweise Menschen mit ähnlichen Erfahrungen zum Austausch. Die Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe e.V. (DLH) bietet auf ihrer Internetseite eine Übersicht über circa 120 Selbsthilfegruppen.
Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen
Für den Fall, dass die Belastung lange anhält oder den Alltag zu beherrschen droht, können spezialisierte Psychotherapeut:innen helfen. Auf der Seite des Krebsinformationsdienstes findet sich eine Übersicht mit rund 600 Adressen von psychotherapeutischen Ansprechpartner:innen, die eine von der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. anerkannte Weiterbildung in der Begleitung von Krebspatient:innen haben.
Anlaufstellen für sozialrechtliche Fragen
Bei sozialrechtlichen Fragen können Ihnen zum Beispiel örtliche Beratungsstellen von Caritas oder Diakonie Auskunft geben.
Man kann sich auch an auf die jeweiligen Themen spezialisierten Anwält:innen wenden. Adressen erhalten Sie bei der örtlichen Anwaltskammer.
Eine Informationsbroschüre zu sozialrechtlichen Fragen mit zahlreichen Tipps und Hinweisen zu Rechten und Ansprüchen während der verschiedenen Phasen der Erkrankung hat AstraZeneca zusammengestellt. Sie können sie hier kostenlos herunterladen.
Patientenkongresse und Symposien
Nicht zu vergessen: Wenn es um Informationen über verschiedene Aspekte der CLL und den Umgang mit der Erkrankung geht, können auch Patient:innenkongresse eine wichtige Informationsquelle sein. Besucher:innen können dort eine ganze Reihe von Ansprechpartner:innen treffen.
Für Angehörige von Menschen mit CLL könnten zum Beispiel der Bundesweite „Patientenkongress Leukämien & Lymphome“ des Vereins Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe von Interesse sein und das Symposium der nordrhein-westfälischen Selbsthilfeorganisation Non-Hodgkin Lymphome-Hilfe.
Zusammenfassung:
Eine CLL-Erkrankung kann vieles verändern, auch bei der Aufgabenverteilung innerhalb von Familien und Lebenspartnerschaften. Sie als Angehörige:r können für Betroffene ein starker Rückhalt sein, indem Sie ein unterstützendes Umfeld schaffen, Ihre Hilfe und Ratschläge aber nicht aufdrängen.
Dabei sollten Sie jedoch bei aller Hilfsbereitschaft Ihr eigenes geistiges und körperliches Wohlergehen nicht aus den Augen verlieren. Es gibt eine Reihe von Warnzeichen, die anzeigen können, dass die Belastung zu groß wird.
Es ist wichtig zu betonen, dass sich Angehörige auch an Kontaktstellen für Patient:innen wenden und professionelle Hilfe in Anspruch nehmen können.